Es ist Donnerstag, der 23. Februar 2012, der zugleich ein bundesweiter Gedenktag für die Opfer und deren Hinter-bliebenden des rechtsradikalen Terroranschlägen gewidmet war. Ich wollte mir 10.15 Uhr die Gedenkveranstaltung im Fersehen ansehen. Doch irgendwie sah ich aus dem Fenster zufällig einen Bauarbeiter, der gerade einen Wasserschlauch die Straße hinterrollte. Auch bemerkte ich, das ein Baustellenfahrzeug und ein Bagger auf dem Gelände des Nachbarhauses sich befanden. Anscheinend beginnen nun die Abbruchabeiten.

Draußen ist es um 11 Uhr morgens ein nebliger Tag. Eine besondere trübe Stimmung kam auf, als tatsächlich der Bagger am hinteren Teil des Wohnhauses mit der Schaufel sich einzufessen begann.

Das anzusehen machte mich sprachlos, das ein so guterhaltendes Wohnhaus für ein dreistöckigen alteresgerechten Neubau weichen muß.
Eine nasse kalte Atmosphäre kam auf, sich langsam Stück für Stück von einem sehr gewohnten Gebäude unseres Straßenbildes Abschied zu nehmen. Diese letzten Augenblicke hielt ich mit meiner Kamera fest.
Muß gestehen, das ich in dieser Situation aus dem Bauch heraus funktioniert habe, um so meinen wortlosen Gefühlen einigermaßen Stand zuhalten.

Die Zeit schien für einen Augenblick stehen zubleiben, als auch einige Passanten und sogar Autofahrer diesen Abriss völlig überrascht zusahen. In ihren erstarrten Gesichtern waren sehr deutlich die Wortlosigkeit zu beobachten.
Mit einigen kam man ins Gespräch, wer die Bewohner waren und zugleich auch über das jüdische Leben hier in Meinerzhagen begann. Es war interessant zuerfahren, wie früher in dem "Alt-Meinerzhagen" so alles passiert ist.
Irgendwie passte auch das Thema über die Intregation hier in dieser Stadt zu dem heutigen Gedenktag.

Währenddessen ist es schon 16.15 Uhr am späten Nachmittag geworden und der Bagger hat bereits schon die Hälfte des Wohnhauses zerstückelt.
Man hört, das es knarrt und knackt , als die Baggerschaufel sich weiter in das stabile Holz im Inneren der offenen Etagen reinfrisst.
Nur das Dach und die vordere Fassade ist wie ein Skelett zusehen.

Zwei ältere Fußgängerin beoachten dieses Szenario mit unverständlichen Schweigen.
Ich vermute gerade, das sie auch ganz vertieft in irgendwelche Erinnerungen an das Haus in unserer Straße in ihren Gedanken zurück kamen.

Auch ich kannte dieses Haus schon seit meiner Kindheit. Erinnere mich noch an die beiden älteren Eheleute, die immer vor der Haustür gemeinsam auf einer Bank gesessen hatten. Das hin und wieder auch eine Katze sich dazu kam. Der Garten selber war auch selber beackert um sich dort von dem Gemüse selbst zu ernähren.

Doch das markante dieses Hauses war, das es genau in der Kurve in unserer Straße sich befand. Egal ob man als Fußgänger oder als Autofahrer in die Straße kam, sah man dieses Wohngebäude sofort.

Aus den Gedanken wurde man dann ganz schnell heraus geholt, als der Bagger den letzten Schonstein des Hauses zu Fall brachte.

Ehe man sich davon erholte, brach völlig überraschend und unvorhergesehen mit einen lauten Knall das komplette Dach in sich zusammen.
Aus den Fenstern des Hauses quillte eine mähtige weiße Staubwolke heraus. Es riecht nach Beton.
Stück für Stück greift sich die Baggerschaufel so lange an die vordere Hausfassade, bis diese auch zusammenfällt.
So langsam verschwinde das Wohnhaus mit der Nummer 4 aus dem gewohnten Straßenbild. Ob es nun so abgerissen werden muß, bleibt nicht nur mir sondern auch vielen anderen eine ungelöste Frage. Von der Qualität und der Bausubstanz war das Haus in bester Ordnung. Selbst die Fenster waren neu.
Umso mehr versteht man es nicht, wie heutzutage mit wichtigen sogar teueren wiederverwertbaren Rohstoffen einfach so sorglos umgegangen wird.
Ich persönlich finde es bedauerlich um ein solches Gebäude in meiner Stadt.
Nach einigen Tagen stillstand auf dem Abrissgelände waren auch die allerletzten Wände des bekannten Wohnhauses in Schutt umgewandelt.

Jetzt ist hier eine große ungewohnte Lücke enstanden, die nach und nach abgetragen wird.

Das war es dann wohl, mit einem Teil einer alten schönen Zeit, die unsere Straße mal eine ganzen Generationen geprägt hatte.

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